Das halbrohe Chicken Nugget ist der Kugelfisch des Schulessens: die Einführung des kostenlosen Mittagessens an Berliner Grundschulen

Der Berliner rot-rot-grüne Senat (R2G) ist so wunderbar: er verteilt Geschenke, obwohl ja noch gar keine Wahl ist. Einfach so. Erst 2021 wird wieder gewählt und trotzdem gibt es jetzt schon mal ein paar Goodies! Toll!

Das kostenlose Mittagessen. Für alle Grundschüler! Im Nachtragshaushalt Anfang Dezember 2018 enthalten, stolz verkündet, und am 12. März 2019 verabschiedet!

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Aber das war noch nicht alles: gleichzeitig fällt die sogenannte „Bedarfsprüfung“ für die Nachmittagsbetreuung weg, was bedeutet, dass alle Grundschüler bis 16 Uhr betreut werden, ohne dass die Eltern den Bedarf dafür nachweisen müssen.

Außerdem wird die Nachmittagsbetreuung von Kindern der 1. und 2. Klasse ebenfalls gratis sein (bisher ist der Kostenbeitrag abhängig vom Einkommen), und das Schülerticket ist für Grundschüler auch gratis.

BÄHM! Nimm das, Opposition!

Bevor hier Missverständnisse aufkommen:

  • gutes Schulessen für alle ist wichtig, keine Frage.
  • Alle Eltern müssen Anspruch auf die Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder haben.
  • Das Schülerticket allerdings, ist ein Geschenk, das den Senat wenig kostet, denn die wenigsten Grundschüler kommen mit dem ÖPNV in die Schule

Ich konzentriere mich jetzt hier mal auf das kostenlose Schulessen. Ist ja auch ein Foodblog. Das Thema ist komplex genug. Wie immer steckt der Teufel nämlich im Detail. Und weil die Details hier auch noch verschachtelt sind, sortiere ich das alles ein bisschen für euch. Gern geschehen!

 

Und jetzt: Vorhang auf –  für ein klassisches Drama in fünf Akten:

R2G – oder „das kostenlose Schulessen ist eine Geschichte voller Missverständnisse“

 

1. Akt

EXPOSITION

Im Hintergrund: Vogelgezwitscher, leise Schalmeienklänge und ein zarter Frühlingswind. Rot-rot-grün (R2G) verkündet, sich glücklich in den Armen liegend, dass eine Familie mit zwei Kindern EUR 1200 im Monat spart: die Kinder besuchen in den ersten beiden Jahren gratis den Hort, eine Bedarfsprüfung gibt es auch nicht, Erstklässler fahren morgens fröhlich kostenlos mit der U-Bahn in die Schule und ein kostenloses Mittagessen gibt es auch. Hach, ist das schön!

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2. Akt

ERREGENDES MOMENT

Aber es ziehen dunkle Wolken am Horizont auf. Gewitterstimmung. Denn: der rot-rot-grüne Senat hat die tollen Neuigkeiten verkündet, ohne sich so richtig Gedanken darüber zu machen, wie das alles organisiert werden solle.

Das Problem: man weiß nämlich gar nicht so genau, wie viele Kinder ab dem Sommer das kostenlose Essen in Anspruch nehmen werden. Es hat sich vorher tatsächlich niemand die Mühe gemacht, hier eine entsprechende Umfrage durchzuführen. Es nehmen aktuell nämlich gar nicht alle Schüler das Schulessen in Anspruch! Die meisten kleinen Esser kommen aus den unteren Klassen, ab der 5. Klasse reduziert sich die Anzahl – auch schon deshalb, weil die älteren Schüler nicht mehr die Ganztagsbetreuung besuchen, sondern nach der Schule nach Hause gehen.

Zumal die Uhrzeit, in der gerade die älteren Schüler ihr Mittagessen einnehmen, in der Regel am Nachmittag liegt – und Schüler ohne Vertrag für die Nachmittagsbetreuung haben auch keinen Anspruch auf das Mittagessen.

Das kostenlose Mittagessen soll aber laut R2G nicht mehr nur den Schüler*innen mit Hortvertrag vorbehalten sein, sondern auch denen ohne Vertrag. Gute Idee. Besteht doch häufig das Mittagessen vieler Kinder aus „was vom Bäcker um die Ecke“ oder „was von der Dönerbude“.

Zahlen, bitte!

Zunächst: wieviele Kinder sprechen wir also, die dieses kostenlose Schulessen in Anspruch nehmen? Und wie kalkuliert man das? Wurde es eigentlich jemals kalkuliert? Äh. Nein.

Das hat man irgendwie vergessen abzufragen. Kann ja mal passieren.

Manche Schulen haben das gemacht, eigenintiativ. Aber das sind Ausnahmen.

Ich versuche die Situation mal am Beispiel einer vierzügigen Grundschule (vierzügig bedeutet: je 4 Klassen pro Jahrgang) mit 6 Klassenstufen durchzuspielen.

Also: 40 Kinder der 5. und 6. Klassen gehen noch in den Hort, die anderen 150 -200 nicht mehr. Dazu kommen die Kinder, deren Eltern jetzt nicht mehr den Bedarf nachweisen müssen – sagen wir mal, das sind noch mal 50.

Dazu kommen die Schüler*innen der 1.-4. Klasse – das sind dann auch noch mal 400.

Die Eltern, deren Kinder die „verlässlichen Halbtagsgrundschule“ (VHG) besuchen, können sich nämlich darauf verlassen, dass ihre Kinder, unabhängig vom tatsächlichen Schulende (zum Beispiel, wenn Stunden ausfallen) garantiert bis 13:30 Uhr betreut werden. Auch die Kinder ohne Hortvertrag.

Warum ich mich hier so in schulinterne Details verliere? Das Mittagessen MUSS deshalb zwingend von allen Kindern deswegen bis 13.30 Uhr eingenommen werden. Und das ist hier die Crux!

Bis jetzt essen nämlich vor allem die älteren Schüler  – auch gerne erst um 15.00 Uhr. Das liegt zum einen an der Stundenplangestaltung und am Platzangebot für das Mittagessen. Der Senat hatte wahrscheinlich auch im Hinterkopf, dass nämlich alle Kinder zu zivilen Zeiten ein Mittagessen bekommen sollen. Das ist löblich. In deutschen Unternehmenskantinen wird ja auch nicht erst um 14:30 gegessen…

Zum Vergleich: das Mittagessen für viele Kinder ist erst um 15/15:30 beendet. Da steht man bei Siemens schon wieder in der Cafeteria beim Kaffee.

In Schulen mit kleinen Mensen ist es jetzt schon kompliziert. Da müssen die Kinder oft auf einen Platz zum Essen warten, die Erzieher müssen oft mehrere Anläufe unternehmen, bis sie für ihre Klassen genügend Plätze zum Essen finden.

In vielen Schule ist natürlich auch ausreichend Platz, so dass alle Kinder in zwei Durchgängen essen können. Da klappt das auch mit dem Zeitfenster bis 13:30 Uhr. In einigen aber eben auch nicht.

Was nun  zu tun ist: die Stundenpläne müssen neu konzipiert werden: wenn alle Kinder bis 13.30 Uhr gegessen haben müssen, stellt das die Stundenplanbeauftragten vor ganz neue Herausforderungen, (bisher wurde das Essen häufig hinten an die letzte Stunde angehängt (selbst Erstklässler essen manchmal erst um 14.00 Uhr).

Haben vorher in einer Grundschule, sagen wir mal, 380 Kinder zwischen 12 Uhr und 15:30 gegessen, so müssen jetzt möglicherweise bis zu 500-580 Kinder zwischen 12 und 13:30 Uhr gegessen haben.

Da das Mittagessen jetzt in der Mitte des „Schul“-Tages liegt, ist der Schultag jetzt entsprechend länger, da nach dem Essen noch Unterricht stattfinden muss, um die Stunden der Fächer entsprechend abzudecken.

Komplexe Sache, die Planung für die Umsetzung des kostenlosen Schulessens

Wie plant man dann so ein komplexes Projekt? Gibt es beim Senat eine Task-Force „kostenloses Mittagessen“? Und wenn ja, was macht die eigentlich beruflich?

Frank Hoppe, der Sprecher der Berliner Schulcaterer und Geschäftsführer des größten Schulcaterers „Lula“, wagte die Prognose, dass bis zu 60 % mehr Kinder als bisher das kostenlose Essen in Anspruch nehmen werden. Der Schätzung des Berliner Senats liegt bei 14%. Liegt Hoppe auch nur einigermaßen richtig mit seiner Schätzung, hat der Senat ein Finanzproblem, denn dann werden die 25 Millionen, die der Nachtragshaushalt für die Zeit von August bis Dezember 2019 bewilligt hat, sicher nicht reichen.

 

3. Akt

HÖHEPUNKT UND PERIPETIE

Es ist Mittag, alle haben Hunger und das Mittagessen muss in dem Zeitfenster zwischen 11:40 und 13:30 stattfinden.

Wo essen die Kinder? In Schulen mit kleinen Mensen kann es durchaus vorkommen, dass die Kinder jetzt schon in 4-5 Durchläufen essen müssen. Wie machen die Schulen das nun, wenn mehr Kinder in kürzerer Zeit essen sollen? Man stelle sich nur vor, die Kinder erzählen zuhause, dass sie nicht essen konnten, es gab keinen Platz…

Eine große Sorge der Schulen: die Umwidmung von Gemeinschaftsräumen für das kostenlose Mittagessen

Mitarbeiter vom Bezirk besichtigen die Schulen derzeit in kleinen Delegationen, immer  auf der Suche nach geeigneten Orten für das Schulessen, das eben sehr sicher von mehr Kindern beansprucht wird, als bisher.

Schulen die sowieso schon Platzprobleme haben,  sorgen sich nun um die Umwidmung der schuleigenen Aula oder anderer größeren Räumlichkeiten in Mensen. Die zukünftige Nutzung von Gemeinschaftsräumen in den Schulen zu Gewinnung von Räumlichkeiten für das Mittagessen ist aktuell ein großes Thema auf den Schulleiterkonferenzen.

In vielen Schulen sind nämlich gerade diese Räume wichtige Orte für Dinge, die den Schulalltag schön(er) machen: die Theatergruppe, das Schulorchester, die Musicalgruppe brauchen diese Orte für Proben und Aufführungen oder sie werden als Therapieräumlichkeiten für Integrationskinder genutzt.

Container auf dem Schulhof oder auf dem (Lehrer)-Parkplatz oder andere räumliche Stunts, um dort das Mittagessen stattfinden zu lassen, sind nicht mehr ausgeschlossen.

Alles steht auf dem Prüfstand: Schulküchen, Räume der AGen und selbst vor Klassenräumen wird nicht halt gemacht: hier könnte man ja Linoleum legen und die Kinder in ihren Klassen essen lassen. Überflüssig zu erwähnen, was in einem großen Unternehmen los wäre, wenn die Geschäftsleitung die Arbeitsplätze der Mitarbeiter entsprechend „doppelnutzen“ würde.

Leider beträgt die Zeit in Berlin zwischen „Oh, wir brauchen einen Container!“ bis „Yeah, wir haben einen Container!“ derzeit ca. 2 Jahre – das liegt nicht zwingend daran, dass es keine Container gibt, sondern da hängt eine ganze Kette von durchzuführenden Maßnahmen dran : es muss jemand eine Ortsbegehung machen, die muss ausgewertet werden, die entsprechenden Bauanträge müssen gestellt und genehmigt werden, das Tiefbauamt muss kommen, jemand muss eventuell die Bäume fällen, um Platz auf dem Schulhof für die modulare Mensa zu schaffen…was es in Berlin ja aktuell eher nicht gibt, ist eine ausreichende Anzahl von verfügbaren Handwerkern.

Und – überhaupt „Berlin“: Bauen ist ja nicht gerade unsere Kernkompetenz (der Flughafen BER wartet seit 2507 Tagen auf die Eröffnung). Und: stellen wir uns doch mal ein Mittagessen im Container bei 35 Grad im Schatten in einem solchen Jahrhundertsommer wie im letzten Jahr vor… Eine tolle Vorstellung. Nicht.

 

4. Akt

FALLENDE HANDLUNG UND RETARDIERENDES MOMENT

Man fängt ja erst seit kurzer Zeit seitens des Bezirks mit den ersten Begehungen vor Ort an.

Nur zur Erinnerung: wir haben April, es sind jetzt erstmal Osterferien, nichts überstürzen, dann kommen ein paar Feiertage und Brückentage und zack! beginnen Mitte Juni die Sommerferien und das Schuljahr geht am 5. August wieder los.

Und der Senat? Der hat die Bezirke lange uninformiert gelassen, fragte Anfang diesen Jahres bei den Schulen die Größe der Mensen ab, es fanden sogenannte „Werkstattgespräche“ statt und die Schulen wurden ihrer Dringlichkeit entsprechend nach dem Ampelsystem eingeteilt: grün für „Genug Platz für alle“ – und rot und dunkelrot für  „Alarm, es ist jetzt schon zu eng!

Auf den Bezirkselternausschüssen (BEA) sitzen die Vertreter der Bezirke immer noch vor den ungeduldigen Elternvertretern mit ihren vielen Fragen und zucken nur hilflos mit den Schultern: sie wissen selber nicht davon, was, wann passieren wird.

 

5. Akt

KATASTROPHE

Wagen wir mal einen Blick in die trübe Glaskugel: wir haben Anfang August, die Kinder kommen nach den Sommerferien zurück in die Schule – der Stundenplan steht so grob, Das Mittagsband ist eingebaut, keiner ist damit so richtig glücklich, einige Kinder haben nun bis 15 Uhr oder länger Unterricht. Ausreichend Räume fürs Essen gibt es nicht so richtig. Die vorhandenen sind fern von angenehmer Atmosphäre.

Es haben jetzt viel mehr Eltern für ihre Kinder das kostenlose Mittagessen gebucht. Viele haben es aber auch vergessen und schicken die Kinder trotzdem zum Essen. Kontrolliert ja niemand. Der Caterer muss viel mehr Essen kochen, als vorher und vor allem: er kann nicht planen. Er kommt an seine Grenzen, die Qualität der Speisen wird davon nicht besser. Die größeren Bedarfe können nicht alle Caterer stemmen – es werden also die großen Caterer mehr Schulen übernehmen. Einige Schulen werden die Catererverträge kündigen, es kommt zu Neuausschreibungen  – jetzt darf bloß keiner im Amt krank werden: Caterercastings müssen nämlich von den Bezirken organisiert werden.

Die Kinder müssen in kürzester Zeit auf engstem Raum ihr Mittagessen einnehmen – die nächsten warten schon, ein Teil der Kinder isst in der Mensa, ein Teil in der Aula, ein weiterer Teil müsste im Container auf dem Hof essen, Streetfoodtrucks sind leider keine Alternative (wieso eigentlich nicht? Denn: hey, wir sind in Berlin!).

Weil die räumliche Situation so unerfreulich ist, und die Qualität des Essens zu wünschen übrig lässt, gehen dann viele Kinder nicht immer zum Essen. Oder bringen sich ihre Brotbox mit. Auf jeden Fall wird das eine oder andere Essen nicht gegessen werden. Kein gutes Signal! Hat doch das BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) unter „Zu gut für die Tonne“ ein neues Programm vorgestellt, das der Lebensmittelverschwendung vorbeugen möchte.

Das geplante Budget des Nachtragshaushaltes für das kostenlose Essen (eingeplant sind rund 15% mehr Mahlzeiten) wird schnell zusammenschmelzen und ab 2020 soll zudem der Bioanteil bei den Musterausschreibungen für die Caterer ja auf 50% steigen…

Zwölftonmusik im Hintergrund. Schönberg. „„Roß! Mein Roß! Was schleichst du so träg!“

Vorhang.

 

Oh, es gibt noch eine Zugabe!

Stimmt, da fehlt doch noch was…

Was ist eigentlich mit dem Essen? Ach ja, das Essen.

Darum geht es uns Eltern nämlich (auch). Um die Qualität! Wo bleibt die, bei € 3,25 brutto pro Mahlzeit? Macht netto € 2,73. (19% Mehrwertsteuer auf Schulessen, Hundefutter wird übrigens 7% besteuert).

Für diese € 2,73 also bereiten die Caterer eine warme Mahlzeit für die Schüler zu. Der Betrag ist bis 2020 festgeschrieben. Seit 2012 unverändert. Die Lebensmittelpreise sind seit 2012 allerdings um ca.15-20% gestiegen. Der Mindestlohn muss auch eingepreist werden. Die steigenden Benzinpreise ebenso wie die allgemeinen Energiekosten. Das ist übrigens alles in den € 2,73 enthalten.

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Der scheidende Staatssekretär Mark Rackles antwortet dazu einer Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 24.10.2018:

 „Wie beurteilt der Senat, die immer wieder aus der breiten Öffentlichkeit vorgebrachte Meinung, der bis 2020 gebildete Preis pro Mittagessen (3,45 Euro) (sic!) sei viel zu niedrig, um ein qualitativ gutes und gesundes Mittagessen herzustellen? Wie steht er dabei zu dem Argument der immer höher werdenden Personalkosten (Mindestlohn zum dritten Mal angehoben) sowie zu der Forderung nach einer transparenten und offenen Preiskalkulation? Wie will der Senat künftig den Vorwurf vermeiden, für wenig Geld zu viel zu fordern?“

Dazu äußerte sich Rackles wie folgt:

„Der Preis von 3,25 Euro für ein Tellergericht ist auf der Grundlage der wissenschaftlichen „Beurteilung der Kosten- und Preisstrukturen für das Bundesland Berlin unter Berücksichtigung des Qualitätsstandards in der Schulverpflegung“ (2012) kalkuliert worden. Da es sich um eine Mischkalkulation handelt, konnten Caterer trotz der Weiterentwicklung des Mindestlohnes die Vertragsbedingungen in der Regel einhalten und ein den DGE Qualitätsstandards entsprechendes Mittagessen anbieten. In die Überarbeitung der Musterausschreibung für das Jahr 2020 werden auch Überlegungen hinsichtlich der Preisgestaltung einbezogen.“

Eine weitere Frage von Frau Demirbüken-Wegner bezüglich der entsprechenden Haltung der Schulämter hinsichtlich der „Problematik gestiegener Kosten versus Qualität des schulischen Mittagessens“ beantwortet Rackles lapidar mit:

„Caterer vereinbaren sich vertraglich mit einem Schulträger und verpflichten sich damit die Vertragsbedingungen einzuhalten. Als Unternehmer überlegen sich die Caterer bevor sie auf ein Los bieten, ob sie zu den in der Ausschreibung verankerten Konditionen die Leistung übernehmen können. Innerhalb des dreijährigen Vertrags sind die Bedingungen festgeschrieben und weitere Maßnahmen werden nicht ergriffen.“

Und da der Caterer ja auch noch was verdienen möchte, bleibt eben weniger für die Qualität übrig. So einfach ist das.

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Es sind aktuell übrigens bis heute nicht alle Caterer angehalten, sich nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu richten. Nur Caterer, die direkt von den Schulen beauftragt werden, sind dazu verpflichtet.

Die Caterer, die von sogenannten „Freien Trägern“ beauftragt werden (wenn der Ganztagsbereich eben nicht von der Schule selber organisiert wird), können sich danach richten, oder es eben auch lassen…und dann finden sich im Essen Geschmacksverstärker, zu wenig frisches Gemüse, zu viel Convenience und zu wenig Produkte von guter Qualität. Das soll sich aber ab 2020 ändern.

Wobei die Richtlinien der DGE nicht unbedingt gutes Essen garantieren – aber immerhin den Focus auf eine gewisse Vielfalt legen.

Dies sind die Produkte, die sich innerhalb einer Woche auf dem Speiseplan wiederfinden sollten:

  • täglich Getreide, Getreideprodukte oder Kartoffeln;
  • davon mind. 1 xVollkornprodukte und max. 1 x Kartoffelerzeugnisse
  • täglich Gemüse, davon mind. 2 x Rohkost oder Salat
  • 2 x Obst
  • 2 x Milch oder Milchprodukte
  • 2 x Fleisch/ Wurst, davon mind. 1 x mageres Muskelfleisch
  • 1 x Seefisch, alle 14 Tage fettreicher Seefisch
  • täglich Trink- oder Mineralwasser

Der vorgeschriebene Bioanteil liegt bei max. 15 %.

Aktuell sieht es so aus, dass unsere Kinder oft hungrig nach Hause kommen, und ich spontan noch mal schnell was koche, weil das Essen in der Schule nicht schmeckt. Wenn da zum Beispiel „Käsespätzle mit Ketchupsauce“ auf dem Plan stehen (schmeckt übrigens noch schlimmer, als es klingt). Immer mal wieder probiere ich das Essen – und es mangelt häufig an den kochtechnischen Grundlagen: der Reis ist häufig nicht gar, oder matschig, Kartoffeln versalzen oder ungesalzen (dafür ist dann die begleitende Sauce versalzen)…

Und wir Eltern? Da würden jetzt einige wirklich gerne wissen, wie es so aussieht mit der Planung zum Thema „das kostenlose Mittagessen“.

Eltern können eigentlich über den Mittagessensausschuss, die Schulkonferenz und den Elternvorstand Einfluss nehmen und müssen mindestens in Bezug auf die Qualität des Essens der Mittagessensausschuss einbezogen werden.

Ich bin in allen drei Gremien an unserer Schule – und was passiert in dieser Woche? Es wird ein Ortstermin mit Vertretern des Bezirks, der Schulleitung und dem zuständigen Träger für die Nachmittagsbetreuung angesetzt, zum dem die Eltern nicht eingeladen werden. Der Termin war uns bekannt. Die Begründung bleibt man uns schuldig. Soviel zum Thema „Transparenz“.

Elternengagement – immer gerne – aber bitte unkritisch: beim Organisieren von Schulveranstaltungen, bei der Arbeit im Förderverein (um Projekte zu finanzieren, die der Senat nicht leisten kann), Kuchen backen, Dekorieren, Organisieren von kleinen und großen Festen oder gar Spendenläufen. Aktionen, die allesamt den Schulen den Allerwertesten retten: organisatorisch und finanziell sowieso.

Sobald es aber um eine kritische Auseinandersetzung mit den Eltern geht, zum Beispiel beim Einfluss auf die Essensqualität, einen etwaigen Catererwechsel oder die Räumlichkeiten der Mensa –  ist es vorbei mit dem Wunsch nach Engagement.

***

Abschließend hätte ich da noch ein paar Fragen:

  • Wäre es nicht im Interesse aller, wenn das Schulessen einfach eine bessere Qualität hätte?
  • Darf / sollte gutes Essen umsonst sein?
  • Wäre nicht eine finanzielle Beteiligung der Eltern zumutbar? Für die unteren Einkommensklassen kann das Essen gratis sein und für die anderen wäre es ein Beitrag in Höhe von € 4 plus den Geldern aus dem Nachtragshaushalt.
  •  Wie wäre es, für die Verpflegung in Schulen und Kitas den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent einzuführen? Dann könnte man das Essen in einer neuen Qualität anbieten. Ohne Geschmacksverstärker und in Bioqualität.

-> Ach nee – geht ja nicht, dann wäre es ja kein Geschenk mehr, mit dem man die Entlastung der Familien verkündigen kann.

Aber sehr wahrscheinlich ziemlich gutes Schulessen. DAS wäre doch mal ein richtig gutes Geschenk!

Aber das aber scheint beim Senat niemand zu wollen.

Wenn unsere Kinder sich so auf ihren Schultag vorbereiten würden, wie der Berliner Senat auf das Projekt des kostenlosen Schulessens, dann hätten sie keine Stifte in der Mappe, zu wenig Hefte dabei (und wenn, dann die falschen), und die Hausaufgaben würden auch nicht gemacht. Wie auch, ohne Stifte? DAS würde aber Ärger von den Lehrer*nnen geben!

 

Und was ist jetzt eigentlich mit dem Kugelfisch?

In dieser Woche gab es auf einigen Tellern beim Schulessen in unserer Schule auf dem einen oder anderen Teller nicht ganz durchgegarte Chicken Nuggets (zu der Tatsache, dass Chicken Nuggets als ernsthafte Mahlzeit beim Schulessen angeboten werden, möchte ich jetzt lieber höflich schweigen.)

Nicht durchgegartes Huhn. Das ist Berliner Roulette. Mit Salmonellen.

Auf Kosten der Gesundheit der Kinder und der Erzieher (die das Schulessen auch essen „dürfen“)!

Funfact: es ist aktuell nicht möglich, für sein Kind einen Hortvertrag abzuschließen, ohne den Faktor „Schulessen“ (die € 37,00 fallen auch an), wenn ein Schüler ohne Hortvertrag am Mittagessen bekommen soll, dann zahlen die Eltern einen unsubventionierten monatlichen Betrag in Höhe von € 65,00.

So, das war aber viel Text. Ist aber auch ein komplexes Thema. Habt ihr Fragen? Wie ist das Schulessen an eurer Schule? Wie wird das kostenlose Essen umgesetzt? Schreibt mir!

nk@geschmacksverstaerkung.net

 

Jetzt bleibt eigentlich nur noch Bertold Brecht:

„Wir stehen selbst enttäuscht und seh’n betroffen.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

 

 

 

 

 

 

 

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